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Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching

Rezensionen

Supervision trifft Arbeitssoziologie!

Organisationssupervision – ein Konzept: Erfahren, Verstehen und Mitgestalten organisationaler Interaktionen (Beraten in der Arbeitswelt); Angela Gotthardt-Lorenz; Vandenhoeck & Ruprecht; 1. Auflage 2020, 105 Seiten, € 15,00

Supervision hat sich heute als arbeitsweltliches Beratungsformat im deutschsprachigen Raum etabliert. Das verdanken wir der Praxis, aber vor allem den theoretisch arbeitenden KollegInnen. Angela Gotthardt-Lorenz ist eine davon. Seit 25 Jahren setzt sie sich mit dem von Ihr erschaffenen Begriff der Organisationssupervision auseinander. Persönlich erinnere ich mich an eine gemeinsame Zugfahrt von Budapest nach Wien in den 90ern, wo sie mit mir als jungen Supervisor über diesen Ansatz diskutierte. Ich verstand nicht alles, ich war skeptisch, aber auch neugierig, es zu verstehen. Mein Interesse an Organisation, an Organisationsdynamiken war dadurch geweckt.

Jetzt hat Gotthardt-Lorenz ihre Überlegungen in ein Konzept von Organisationssupervision gegossen, auf hundert Seiten komprimiert zusammengefasst. Klaus Obermeyer, ein Kollege aus Hamburg, bringt GotthardtLorenz‘ Anliegen in seiner Rezension auf den Punkt: „Die Autorin ist in den konzeptionellen Debatten in der Community der Supervisor*innen, nicht müde geworden, auf den schmerzlichen und nachgerade mysteriösen Umstand hinzuweisen, dass Supervision und Arbeitssoziologie, trotz ihrer unabweisbaren engen Verbindungslinien, bisher eher grußlos aneinander vorbeigegangen sind. Sie lenkt unseren Blick auch jetzt auf eine nicht unproblematische Engführung supervisorischer Theoriebildung und Praxis, in der psychologische, sozialpädagogische und gruppendynamische Perspektiven prämiert sind, die den Weg zum Verständnis der Arbeitswirklichkeit der Supervisand*innen gelegentlich durch eine Dominanz subjektorientierter Perspektiven überwuchern.“ (Supervision 4/2020, 59)

Ihr Modell der Organisationssupervision ist in drei Ebenen aufgebaut. Ausgangspunkt ist natürlich die Organisation, konkret die für die Organisationssupervision relevanten, sie konstituierenden Faktoren. Organisationsstruktur, -aufgaben und -dynamik sind als allgemein gültig unbestritten. In dieser ersten Ebene gibt es weiters den speziellen „Bestimmungsort: Personenbezogene Dienstleistungen“. Darunter werden die Interaktionen in einer Organisation wie Kooperation und Steuerung von Arbeit wie auch die Interaktion als Arbeit an sich (personenbezogene Dienstleistungsarbeit) verstanden. Auf der zweiten Ebene werden reflexionsund handlungsrelevante Konzepte als Ansatzpunkte für die Organisationssupervision dargestellt: Interaktionistisches Rollenkonzept/Konzept Soziale Erwartungsstrukturen; Konzept Interaktionsarbeit; Professionelles Handeln und das Konzept Organisationaler Achtsamkeit.

Auf der dritten Ebene ist die methodischdidaktische Konzipierung von Organisationssupervision zu finden. Hier geht es um die Entwicklung adäquater Beratungssysteme durch die Auseinandersetzung mit den Erwartungsstrukturen und, zentral, um die Schaffung eines supervisorischen Interaktionsraums für sozioemotionale Interaktionsthemen.

Das Drei-Ebenen-Modell der Organisationssupervision ist bestechend, erschließt sich aber nur durch genaues und konzentriertes Lesen und Mitdenken. Das aber zahlt sich aus! Gibt doch das Buch sowohl eine Antwort darauf, was Supervisor*innen und Coaches eigentlich in Organisationen tun, unter welchen Rahmenbedingungen sie ihre personenwie organisationsbezogene Dienstleistungen mit welcher Qualität anbieten und durchführen, als auch eine Grundlage für kollegiale Auseinandersetzung darüber.

Wolfgang Knopf (news 1/2021)