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Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching

Rezensionen

Supervision auf dem Prüfstand

Wirksamkeit, Forschung, Anwendungsfelder, Innovation. Schigl, B., Höfner, C., Artner, N., Eichinger, K., Hoch, C.B., Petzold, H.; Springer-Verlag GmbH, Zweite Auflage 2020, 299 Seiten, € 39,99

„Supervision auf dem Prüfstand 2“ (2020) wurde im Springer – Verlag als Nachfolgewerk zu SAP1 (Verlag leske+budrich/Springer 2003) von einem im Interesse evidenzbasierter Supervisionsforschung arbeitenden Autorenteam rund um Dr. Brigitte Schigl (mit C.Höfner, N.A.Artner, K.Eichinger und C.B.Hoch) und unter inhaltlicher Kommentierung von Prof.Dr.mult. Hilarion Petzold erarbeitet und herausgegeben.

Das Werk vergleicht über den Beobachtungszeitraum 2003 bis 2016 aus 20 Multicenterstudien anhand des von Hilarion G. Petzold entwickelten „Mehrebenenmodells der Supervision“ Qualität, Wirksamkeit, Bedarfsdefinition und fachliche Perzeption supervisorischer Tätigkeit in einem gegenüber dem Erstling (2003) erweiterten Spektrum professioneller sozial-psychologischer, pädagogischer und sozial-psychiatrischer Anwendungsfelder. Zugefügt wurden Recherchecluster über „Gesundheitsberufe und Krankenpflege“, weiters ein Cluster „Peer Supervision“ u.a.). Datensatzanalysen und Literaturrecherchen fokussieren Wirksamkeitsstudien zur Supervision im deutschund – neu hinzugekommen – englischsprachigen Forschungsraum.

Zentrales Anliegen der Recherchen in SAP2 ist es, den Forschungsstand zur Supervision als „Methode sozialer Intervention“ in ihren vielfältigen Anwendungsbereichen länderübergreifend aufzuarbeiten und zu dokumentieren“. Engagement und Motivation des gesamten Studienprojektes ist die Qualitätssicherung im Kontextfeld von Supervisionsangeboten insbesondere unter dem Aspekt der Risikoprävention, Schadensforschung (S. 223) und Wirksamkeit.

Grundlegende qualitative Fragestellungen, die in SAP1 noch nicht ausreichend beantwortet werden konnten, wie zum Beispiel über nachweislich effektive und geeignete Supervisionsformen und -praxeologien in Gegenüberstellung zu gegenwärtig relevanten Arbeitsfeldern, werden in SAP2 differenziert reflektiert. In den Rechercheergebnissen wird darauf hingewiesen, dass die spezifische „Passung“ von Supervision auf spezielle Anwendungsfelder auch im aktuellen Forschungsprojekt noch nicht ausreichend hergeleitet und begründet werden kann. Das Fachpublikum könnte in diesem Sinn künftig interessieren, ob und wie die Kontextualisierung von Praxeologien „Forschungslinie“ werden wird und inwieweit valide Aussagen über Korrespondenzen und Korelationen zwischen Anwendung und spezifischer Wirkung künftig belegbar und evident werden.

Analoge Reflexionen des zunehmend in der „Beratungsszene“ auftretenden „Coaching“-Begriffes wurden aufgrund unklarer Konzeptionen desselben unterlassen. Ebenso wird das Reflexionsfeld der „Lehrsupervisionen“ ansatzweise erschlossen, entbehrt aber in den recherchierten Studien noch jeglicher Wirksamkeitsüberprüfung. Dies wird im Buch als Mangel definiert. Somit wird auch hier ein Forschungsauftrag für die Zukunft formuliert.

Ein wesentliches Ergebnis von SAP2 ist, dass der in den Supervisionspraxen angewandte und assoziierte Supervisionsbegriff eine große Breite besitzt und ebensolche Fülle an Praxeologien subsummiert. Im Hinblick auf kulturdifferente Anwendungs- und Ausbildungsaspekte zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen dem englisch- und deutschsprachigem Bereich, wie zum Beispiel im Ausmaß des Ausbildungsumfanges oder in der inhaltlichen Strukturierung supervisorischer Angebote (Supervisionsmanuale im englischsprachigen Raum versus prozessorientierte Supervisionspraxis auf unterschiedlicher supervisionstheoretischer Basis).

SAP2 ist laut Prof. Hilarion G. Petzold eine „in die Breite gegangene Übersicht“ – deren Nutzen darin liegen könnte, „Prioritäten zu bestimmen, Forschungslinien zu entwickeln, die eine besondere Bedeutung erhalten sollten“ – nicht nur im berufsverbandlichen, sondern wissenschaftlich fundiert und in qualitativem Anspruch im Sinne der Anwender_innen auf allen Systemebenen. Insofern führt dieses Forschungsprojekt über den europäischen Bereich hinaus die Entwicklung evidenzbasierter Supervisionsforschung voran und setzt eine verlässliche Ausgangsbasis für aufbauende Forschungen im Sinne identifizierter supervisionsrelevanter Weiterarbeit.

Barbara Nigitz-Arch (news 3/2020)