MENÜ

Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching

Rezensionen

„Wenn Ungewissenheit zur Gewissenheit wird“

Übergänge in Beruf und Organisation. Umgang mit Ungewissheit in Supervision, Coaching und Mediation. Klaus Obermeyer, Harald Pühl (Hg.) Psychosozial-Verlag, 1. Aufl. 2019, 245 seiten, € 24,90

Sicherheit ist ein Thema der westlichen Gesellschaften. Gelbe Streifen an jeder Ecke, Stufe, Übergang, Einzäunung eines jeglichen stehenden Wassers, Protektoren für Ellbogen und Knie, Helm auf am Kinderspielplatz und sowieso sobald man sich schneller als  mit Schrittgeschwindigkeit bewegt. Von den Sicherheitschecks beim Fliegen sei hier gar nicht die Rede! Für die Absicherung des (leiblichen) Lebens werden Einschränkungen der persönlichen Freiheit und Rechte widerspruchslos in Kauf genommen. Hauptsache eine vermeintliche Gefahr ist gebannt.

Ein Blick auf die Entwicklungen und Tendenzen in der heutigen Arbeitswelt erschreckt viele. Alt gewohnte Sicherheiten scheinen verloren zu gehen. Ohne jetzt die Begriffe „Beschleunigung“, „Globalisierung“ und „VUCA“ (Volatile/Unsecure/ Complex/Ambigous) allzu sehr zu bemühen, können die neuen Herausforderungen nicht geleugnet werden: Rahmenbedingungen verändern sich ständig im Umfeld der Organisationen, eine sichere Planung der Zukunft  ist kaum mehr möglich. Die Zukunft bleibt offen, ungewiss: Übergänge, bei denen der Ausgangspunkt zwar klar ist, das Ziel aber noch im Nebel liegt, rufen Unsicherheit und Angst hervor. Im Unterschied zum alltäglichen nicht beruflichen Leben mit den gelben Sicherheitstreifen und den Sturzhelmen fehlen in der Arbeitswelt solche Schutzbehelfe.

Können Supervision und Coaching in der Bewältigung dieser Herausforderungen für KlientInnen in  Organisationen unterstützend sein? Können hier Kompetenzen für den Umgang mit Ungewissheit erworben werden?

Auf diese Fragen versucht der von Klaus Obermeyer und Harald Pühl herausgegebene Band „Übergänge in Beruf und Organisation. Umgang mit Ungewissheit in Supervision, Coaching und Mediation“ (2019, Psychosozial-Verlag) Antworten zu geben. „Die hier versammelten Beiträge sind Geschichten der Ermutigung. Entwicklungswege ins Offene führen unter Umständen durch Phasen beträchtlicher Haltlosigkeit und können das Fürchten lehren. Gleichzeitig eröffnen sie unter gedeihlichen Bedingungen ein enorm kreatives Potenzial und einen weiten Möglichkeitsraum. Die AutorInnen dieses Buchs loten – wenn auch aus der Perspektive sehr unterschiedlicher Denkmodelle – die Potenziale für gedeihliche Entwicklungen in Ungewissheit aus.“ So Obermeyer und Pühl in ihrer Einleitung, dem etwas später ein wundervolles Zitat von Zygmunt Baumann folgt: „Heute mag die Angst vor der Hölle abgenommen haben, doch die Offenheit der Zukunft steht uns recht unverblümt vor Augen. Wir scheinen uns in einem Zeitalter zu befinden, das die Zukunftsunsicherheit beinahe zu einer Religion und die ständige Veränderung zu einem Fetisch erklärt hat.“

So unterschiedlich die einzelnen Beiträge sind, so finden sich doch bei allen einen Beleg oder Hinweis auf die „Unvollkommenheit als Referenzrahmen“, auf die „Ressource des impliziten Wissens“ und auf die Notwendigkeit, „einen Umgang mit der Angst zu finden“. Alleine die Titel der Beiträge machen neugierig und zeigen die Bandbreite der diversen Zugänge zu dieser Thematik. Aus diesem Grund seien sie auch hier angeführt: Die Einleitung von Obermeyer/Pühl „Wenn Ungewissheit zu Gewissheit wird“ eröffnet den Reigen. „Die Angst vor der Langsamkeit und die Grenzen der Selbstreflexion“ von Wolfgang Schmidbauer lädt zu einem kritischen Innehalten ein. Bei Karin Lackner geht es auch um die Illusionsbildungen „Zwischen trügerischer Hoffnung und Wahrhaftigkeit“. Erhard Tietel beleuchtet seine und die für Supervision wichtige Perspektive der Triade und deren Dynamik aus psychoanalytischer und systemischer Sicht. Fortgesetzt von Kornelia Rappe-Giesecke mit „Triadische Karriereberatung als Format für die Begleitung von Professionals und Führungskräften in Übergangsphasen“. Harald Pühl setzt den Fokus auf „Präsenz und Intuition“. Katharina Wendt nutzt die Theorie U von Scharner für die „Zukunft als Ankunft“ während sich Renate Ritter mit dem „Fundamentalismus“ als „kollektive Abwehrform bei als bedroht erlebter Identität“ beschäftigt.

Eine neue Perspektive eröffnet Klaus Obermeyer mit „Verstörte Touristen. Das Befremdungserleben in der Supervision als Last und Ressource“. Die eigene Angst der BeraterInnen hat Katrin Thorun-Brennan mit „Zuversicht als beraterische Haltung“ im Fokus. Mit der Verbindung von Widersprüchlichem beschäftigt sich Anusheh Rafi in „Formatübergänge als Antwort auf das Oxymoron der professionellen Authentizität“. Komplementäres Denken in Übergängen zeigt Ortfried Schäffter in seinem Beitrag „Transitionsanalyse“. Abschließend stellt Michael Völker ein Modell zur Thematik Werte anhand von Übergängen als Wertewandel für Menschen und ihre Teams und Organisationen vor: „Zwischen verlieren, integrieren, gewinnen und überfordern“ (sic!).

Für SupervisorInnen und Coaches bieten die Beiträge sowohl theoretische wie praktische Anregungen im Umgang mit Verunsicherung hervorrufenden Veränderungen und Übergängen. Ein lesenswertes Kompendium!

Wolfgang Knopf (news 3/2019)