Fast 72 Prozent des österreichischen Lehrkörpers sind laut Statistik Austria weiblich, in den Pflichtschulen sind es sogar 82 Prozent. Zum Schulbeginn fordert die ÖVS, der Mehrfachbelastung von Frauen mit Beratungsformaten entgegenzuwirken.
Im Osten Österreichs hat die Schule begonnen, im Westen startet das neue Schuljahr nächste Woche. Für Lehrerinnen und Lehrer erhöht sich damit auch das Risiko eines Mental Loads. Die Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS) nimmt den Schulstart zum Anlass, um auf die Mehrfachbelastung hinzuweisen, von der vor allem die etwa 90.000 österreichischen Lehrerinnen betroffen sind.
„Unter Mental Load verstehen wir die psychische Belastung, die durch das Organisieren von unsichtbaren Alltagsaufgaben entsteht. Konkret geht es um die Denkarbeit, die hinter der Organisation von Haushalt, Kinderbetreuung, Freizeitplanung etc. steckt“, erklärt Patrizia Tonin, ÖVS-Vorstandsvorsitzende. In Österreich sind vor allem Frauen von Mental Load betroffen. Laut Expertin liegt das daran, dass Mädchen und Buben immer noch unterschiedlich sozialisiert werden. „Der kulturelle Anteil an der Geschlechterrolle ist nicht zu unterschätzen. In unseren Köpfen sind die Hausarbeit, die Kinderbetreuung, kurz die Care-Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes weiblich“, so Tonin. Und auch die Lehrenden sind laut Statistik Austria zu 72 Prozent weiblich. Das bedeutet, dass zur alltäglichen Belastung der Stress in der Schule kommt. Die Sorge um einzelne Schülerinnen und Schüler, die Vorbereitung auf Unterrichtsstunden, das Verbessern von Hausübungen und Tests, die Organisation von Schulausflügen etc. Dazu kommen oft schwierige Klassen und verhaltensauffällige Schüler*innen. „Gerade Lehrerinnen üben Tätigkeiten aus, hinter denen auch sehr viel unsichtbare Denkarbeit steckt. Kombiniert mit der Sorge um alltägliche Aufgaben und oft gering erlebte Wertschätzung, steigt die Gefahr eines Mental Loads“, sagt Tonin.
Beratungsformate als Präventivmaßnahme
Für die ÖVS-Expertin ist es essenziell, Bewusstsein für Mental Load zu schaffen. „Viele Betroffene fühlen sich unwohl, sind erschöpft und überfordert und wissen gar nicht, dass sie von Mental Load betroffen sind. Meistens hilft es schon, wenn man den eigenen Zustand benennen und erklären kann“, sagt Tonin. Wenn das Problem klar ist, können Schritte gesetzt werden. Zum Beispiel ist es möglich, gemeinsam mit eine*r Supervisor*in Methoden für ein belastungsfreies Organisieren der beruflichen Tätigkeiten zu erarbeiten. So kann Mental Load aktiv vorgebeugt werden. Die ÖVS fordert deshalb ein Angebot an Beratungsformaten für Österreichs Lehrerinnen und Lehrer.
Presseinformation, 05.09.2024: Mental Load zum Schulbeginn
Fotos, Abdruck honorarfrei © Tom Poe Photography
Patrizia Tonin, ÖVS-Vorstandsvorsitzende