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Österreichische Vereinigung für Supervision und Coaching

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Menschliche Resilienz in Unternehmen – Dialog als Ressource

Grundlagen und Methoden auch für die agile Arbeitswelt. Friederike Höher, Verlag Barbara Budrich GmbH, 2. überarbeitete Auflage 2020, 355 Seiten, € 34,90

In neueren Publikationen, die sich mit agilen Arbeitsweisen, Komplexitätsmanagement und neuen Ansätzen der Organisation im Kontext der VUKA-Zeit auseinandersetzen, überkommt mich immer wieder das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben. Das kenne ich doch aus den Diskussionen vor einigen Jahrzehnten, als Hierarchien in Frage gestellt wurden und als Empowerment und Bottom-up-Prozesse „in“ waren. Mit dem Buch von Friederike Höher habe ich nun einen wertvollen Schlüssel gefunden, um die Beziehungen zwischen diesen klassischen und modernen Elementen zu erkennen, zu verstehen und zu nutzen.

Als das zentrale Anliegen beschreibt Friederike Höher das Herausarbeiten des Dialogischen in Haltung, Beziehung und Organisationsstrukturen als Ressource für individuelle und organisationale Resilienz.

Der Dialog als Ressource – dafür finden wir in diesem Buch eine sehr gut strukturierte Zusammenschau der Grundlagen und Begrifflichkeiten. Kompakt, übersichtlich und klar werden die drei großen Quellen des Dialogischen skizziert: Sokrates, Martin Buber und David Bohm. Dann steht der resiliente Mensch im Zentrum. Ein RundumBlick in diverse Ansätze, die für ein tieferes Verständnis der Resilienz hilfreich sind, wird zum Modell „Tempel dialogischer Resilienz (S. 98) zusammengeführt. Im Kapitel über den Kontext, nämlich der Organisation in VUKA-Zeiten, wird der Rundum-Blick auf anderer Ebene fortgesetzt. Auch hier ist eine praktische Zusammenschau einiger relevanter Themen und Ansätze wie etwa das Sozialkapital, die Lernende Organisation, der Umgang mit dem Unerwarteten, zu finden, um auf diesen Grundlagen aufbauend die organisationale Resilienz zu beschreiben und in einem weiteren Tempel-Modell zu visualisieren (S. 112). Das folgende Kapitel zeigt den Weg in eine dialogische Organisationskultur auf und behandelt die Anforderungen an Führung und an die Beziehungsgestaltung von verschiedenen Blickwinkeln. Schließlich geht die Auseinandersetzung in den Methodenteil über. Neben einer fundierten Anleitung und Beschreibung der agilen Kreisstrukturen und des Kreises als Essenz des Dialogs findet man auf über hundert Seiten Übungsmaterial: Von kreativen Coachingmethoden über Klassiker der dialogischen Übungen zu zweit (Zwiegespräch, The Work und Dyaden) bis zu dialogbasierten Gruppen- und Großgruppen-Verfahren.

An diesem Buch finde ich besonders bemerkenswert, dass aus einer breiten Fülle von Bezugswissen ein sehr übersichtliches, praxisorientiertes und elegantes Handbuch geworden ist. Viele lose Teile aus Bezugstheorien, Konzepten, Begriffsdefinitionen und Methoden sind unter der Klammer des Dialogs als Ressource stimmig und schlüssig verbunden. Ein reichhaltiges Buch: für Anfänger/-innen ebenso wie für Erfahrene!

Gertraud Hinterseer (news 3/2020)